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Workshop Introspektion, Arbeitspapier vom 29. September 1999

DIE WÜRZBURGER METHODE DER INTROSPEKTION UND UNSERE VERBESSERUNG

Gerhard Kleining

Ich skizziere die Entwicklung der Methode der Würzburger an Hand der Veröffentlichung von Ziche 1999. Seitenzahlen wie dort. Literatur am Ende. Hervorhebungen in den Zitaten sind meine.

Klassische Psychologie: Der Forscher beobachtet sich selbst (nicht in Ziche)

Introspektion ist entweder experimentell mit technischem Aufwand als Reaktionsuntersuchung (Wundt, Titchener etc.) oder phänomenologisch (Brentano, Husserl etc.). In beiden Fällen ist der Forscher sein eigener Beobachter, Protokollant und Analytiker. Er muss deswegen Experte geworden sein - introspektive Übung ist nötig. Experimente werden in sehr großen Serien ausgeführt (z.B. Fechner Psychophysik, Ebbinghaus Gedächtnis) und quantifiziert. Wundt hält nur Selbstwahrnehmung im Sinne von Registrierung von Reizen für möglich. - Phänomenologische Forschungen sind dagegen Einzelbeobachtungen unter "natürlichen" Bedingungen des reflektierenden Wissenschaftlers oder Philosophen; sein Expertenstatus ergibt sich aus dem des Philosophen (z.B. Brentano, Husserl, Logische Untersuchungen 1901).

Weil Beobachter und Forscher identisch sind, entsteht einerseits hohe Plausibilität für den Selbstbeobachter, andererseits der Vorwurf der Subjektivität an ihn. Die Objektivierbarkeit von subjektivem Erleben ist in der Tat das Problem, damit das Verhältnis von "außen" und "innen" (eine Variante des Leib-Seele-Problems - Psycho-Physik, Psycho-Physiologie). Dies kann aber nicht dazu führen, einen der Bereiche zu Gunsten des anderen auszuschließen.

Die Würzburger sind nicht nur mit Erforschung der Psyche befasst, sondern auch mit der Entwicklung und Sicherung der Methode.

Karl Marbe: Trennung Beobachter und Forscher, "qualitative psychologische Experimente"

Versuche über das Urteil, (1901). "Urteil" ist hier ein Bewusstseinsvorgang, der zu einer "rich­tigen" oder "falschen" Bewertung führt.

Qualitative psychologische Experimente.

"Eine sehr wichtige Seite der psychologi­schen Phänomene ist die quantitative. ... Allein auch die qualitative Seite ist der Beobachtung und dem Experiment zugäng­lich und muss von ihnen unter­sucht werden*. Wenn wir unsere Aufmerksamkeit auf die Farbe eines zufällig erlebten Nachbildes lenken, so machen wir eine qualitative psychologische Beobachtung, wenn wir die Empfindungsqualität festzustellen suchen, welche entsteht durch gleichzeitige Einwirkung verschiedener künstlich vorgebrachter Geruchsreize, so machen wir ein qualitatives psychologisches Experiment. (83)

* Es ist daher unrichtig, wenn man in der Ein­leitung zu psychologischen Werken bisweilen (vergl. noch neuerdings Ebbinghaus, Grundzüge der Psychologie, p. 60ff) die Sache so darstellt, als diene das Experiment ausschließlich der Messung."

Wissenschaftliche Experimente haben Alltagsbasis. "Ich verstehe unter Experiment im engeren Sinne diejenige Beobachtung oder Wahrnehmung eines im Eintritt oder Ablauf willkürlich beeinflussten Erlebnisses, welches unter bekannten, künstlich variierten Bedingungen stattfindet." (80).

Marbe unterscheidet, wie Fechner, "äußere und innere Erlebnisse", "äußere Beobachtung und innere Wahrnehmung" (78). Das Bewusstsein verändere die innere Wahrnehmung, deswegen sei sofortige Berichterstattung nötig. Sie erbringe die "richtigere Anschauung" (79)

Auch zu unterscheiden seien "künstliche Wahrnehmungen oder Beobachtungen" und "natürliche". Die Anwendung technischer Hilfsmittel könne sich empfehlen (79). M.E. wichtig ist der Hinweis auf "natürlichen Experimente", damit die mögliche ­Abkehr von der Künstlichkeit der bisherigen Laborversuche wie bei Fechner, Wundt, Ebbinghaus.

Versuchsanordnung. Einzelversuche mit 7 Beobachtern ("natürlich jeder in einer besonderen Sitzung") mit Versuchsleiter und sofortiger Bericht des Beobachters über seine Erlebnisse. Zitiert werden die Aussagen von Külpe und Roetteken. Bei den Daten sind keine Nachfragen des Vl. erkennbar.

"Der Gang der Untersuchung wird sich daher naturgemäß so zu gestalten haben, dass der Beobachter veranlasst wird die verschiedensten zu Urteilen werdenden Bewusstseinsvorgänge zu erleben, um dann umgehend zu berichten, welche begleitenden Erlebnisse zu jenen hinzukamen, um ihnen den Bewusstseinscharakter zu verleihen". (87)

Aufgabe z.B.: Gewichte vergleichen, alltägliche und Wissens-Fragen, diese aber durch Gesten zu beantworten ("In welcher Richtung liegt Ihre Wohnung?", "In welchem Jahr ist Maecenas gestorben?"). Starke Variation der Aufgaben.

Analyse: "In allen unseren zum Teil sehr verschiedenen Versuchen ließ sich also ... nachweisen".

Ergebnis der Forschung ist eine qualitative Aussage: Sachvorstellungen sind Urteile, wenn ihre Übereinstimmung mit realen oder idealen Vorstellung vom erlebenden Individuum beabsichtigt ist, sie sind richtige Urteile, wenn sie übereinstimmen, falsche Urteile, wenn sie nicht übereinstimmen (97).

Besonderheiten: (1) Der Fortschritt gegenüber der Methodik von und nach Wundt ist die Verwendung des "qualitativ psychologischen Experiments", also Übertragung des äußeren Experiments auf das "Innere". Dies ist die m.W. erste Benennung des Verfahrens, noch vor Mach (1905), der aber in den sechziger Jahren des 19. Jh. bereits solche Experimente (zur Wahrnehmung) ausgeführt hatte und sie in der Physik als normal ansieht. Es ist sicher die erste Benennung innerhalb der Würzburger, die den späteren Forschern als fraglos akzeptabel galt. (2) Der Fortschritt in der Datenerhebung bei Selbstbeobachtung gegen­über Wundt/Brentano besteht in der Mitteilung und Protokollierung des "Erlebten" (Begriff von Külpe), damit der "Objektivierung". (3) Die Verwendung eines Versuchsleiters - auch dies wie in der quantitativ-experimentellen Forschung - entlastet die Vp., macht aber die Mitteilung sozial gegenüber Tagebuch und alter Form der Introspektion. (4) Die Versuchsgegenstände sind - gegen­über den Wundtschen Reaktionsversuchen - "natürlich" (z.B. Urteile zu fällen), wenngleich nicht alltäglich (z.B. Lösen von Aufgaben durch Gesten). (5) Durch verbale Berichte entstehen qualita­tive Daten. Bei Marbe werden aber als Beobachtungen des Vl. wiedergegeben ("Abgesehen von ... beobachtete die Versuchsperson ...). (6) Die Versuchsanlage verwendet wie bei Wundt starke Variation der Aufgaben mit gleicher Thematik (Marbe nennt sie "Gegenstände" 95), mit mehreren Beobachtern mit gleicher Aufgabenstellung - alles Psychologen/Philosophen/Lehrerstudenten. Jedoch wird die Anzahl der Einzelversuche eines Typs reduziert, da eine quantitative Auswertung nicht erfolgt. (7) Qualitative Analyse auf Gemeinsamkeiten.

Anmerkung. Ziche sieht die methodologischen Fortschritt bei Marbe nicht (weil er "qualitative Experimente" nicht versteht), hält dagegen die Methode von Ach für eine "signifikante Weiterentwicklung" (23).

August Mayer, Johannes Orth (1901): Quantitative Experimente, mit Versuchsleiter

Obgleich der Titel "Zur qualitativen Untersuchung der Assoziationen" heißt, werden Quantitäten festgestellt um Assoziationen zu gruppieren (Häufigkeiten, Dauer in Sekunden). Es heißt: "Die Assoziationen zerfallen ...". Z.B. in solche mit und ohne eingeschobene Bewusstseinsvorgänge oder in solche ohne eingeschobene Bewusstseinsvorgänge aber mit Bewusstseinsvorgängen, die das Reizwort begleiten oder die das Reaktionswort begleiten oder Erlebnisse, die entweder das Reizwort oder das Reaktionswort begleiten.

Das Ergebnis der Forschung ist eine deduktive Untergliederung, ziemlich beliebig, nicht systematisch, nämlich mit Überschneidungen und weder mit Erkenntnis der zugrunde liegenden Ordnungskriterien noch der Assoziationen selbst - dem Untersuchungsgegenstand.

Untersuchungsablauf. Der Vp. werden vom Vl. sinnlose Silben auf Karten vorgelegt (mechanisch, von einem Kartenwechsler), die Vp. assoziiert, die Zeiten werden genau gemessen.

"Hierauf erfolgte seitens des Beobachters die Angabe aller jener Beusstseinsvorgänge, die von dem Augenblicke des Aussprechens des Reizwortes an bis zum Schlusse der Reaktion in ihm abgelaufen waren." (69).

Anmerkung. Die Untersuchung wurde auf Anregung Marbes vorgenommen (Meyer und Orth waren Lehrerstudenten). Sie wird von Ziche als erste Arbeit dargestellt, die das Programm der Würzburger Schule präsentiert (17). Das ist nicht richtig, wenn man die qualitative Verwendung des Experiments als den Würzburger Weg zur Erforschung psychischer Vorgänge ansieht. Auch falsch ist die Meinung, hier sei "erstmals geschlossen ... das Programm der 'Würzburger Schule'" (präsentiert worden). Die Untersuchung Mayer/ Orth ist bestenfalls ein Übergang zu Marbe (oder Ach). Sie ist keine qualitative Untersuchung.

Narziss Ach: "Systematische experimentelle Selbstbeobachtung"

Versuche über Willen und Denken. (1900 begonnen, 1905 veröffentlicht. Ziche 20). Ach sieht zwei Probleme in der bisherigen Selbstbeobachtung: (1) "... gelegentliche Beobachtungen einzelner Reaktionen oder einzelner Teile einer Reaktion ... (ergeben) nie ein vollständiges, zuverlässiges und unbefangenes Bild der wirklich vorhandenen Bewusstseinsinhalte." (103) (2) "Determinierenden Tendenzen" (die einseitige Richtung der Aufmerksamkeit) bringe die Vp. zu einer einseitigen Darstellung der Erlebnisse (105). Deswegen erfindet er die neue Methode der

"Systematischen experimentellen Selbstbeobachtung" (103/104) mit Befragung durch den Versuchsleiter und gleichzeitiger Intensivierung der Labortechnik. Nachfragen werden bei ihm durch die "Perseveration" legitimiert, den Umstand, dass "aufmerksam erlebter Bewusstseinsinhalt im Bewusstsein verharrt" (105), nämlich mehrere Minuten (106).

Die Methode beabsichtigt:

"... das durch äußere experimentelle Hilfsmittel veranlasste Erlebnis der Versuchsperson jedesmal in der dem Versuche unmittelbar folgenden Zeit einer vollständi­gen Be­schreibung und Analyse zu unterwerfen. Hierbei findet ein fortwährender enger Gedankenaustausch zwischen der beobachtenden Versuchsperson und dem protokollierenden Versuchsleiter statt." (104).

"Es ist unser Bestreben, auch diese 'subjektive' Methode der Selbstbeobachtung wenigstens insofern objektiv zu gestalten, als die willkürliche und unkontrollierbare Behandlung des zu untersuchenden Gebietes sowohl von Seiten der Versuchsperson als auch von Seiten des Versuchsleiters möglichst ausgeschaltet wird. Dies gelingt nur dadurch, dass das ganze Erlebnis vom Eintritt des Signals bis zum Abschluss des Experiments vollständig geschildert und protokolliert wird." (Hervorhebung im Original). (108).

"Der Versuchsleiter hat also die Pflicht sich durch die Fragestellungen Gewissheit darüber zu verschaffen, ob die notwendige Korrespondenz zwischen der von der Versuchsperson benützten sprachlichen Bezeichnung und dem zu schildernden Erlebnisse tatsächlich besteht." (109). Er kann sich nicht nur auf die Aussagen der Versuchsperson stützen ... muss außerdem zur Erziehung der Versuchsperson in der Selbstbeobachtung beitragen ... sich eine möglichst objektive Kenntnis des Seelenlebens der Versuchsperson verschaffen (111).

"Systematisch (ist die experimentelle Selbstbeobachtung), als sie den in der Nachperiode perseverierenden Bewusstseinsinhalt einer planmäßigen Analyse unterzieht. ... ­Nur auf diese Weise ist es möglich, die Schilderung des Erlebnisses von dem Gutdünken und der Willkür der Versuchsperson zu befreien." (108).

Die Befragung soll in "vorsichtiger und unbestimmter Form" erfolgen, um "Suggestion zu verhindern und ... Charakter des unwissentlichen Verfahrens soweit als möglich zu wahren." (110).

Bei posthypnotischer Suggestionswirkung hält er sich selbst aber nicht an diese Empfehlung, sondern befragt nach Modell Verhör: Warum sagten Sie... ? - Haben Sie nicht gedacht ...? - Und hier ...? - Das ist doch kein Zufall! - Dachten Sie nicht, dass ...? (123).

Versuchsanordnung. "Psychologische Einzelversuche". Reaktionsversuche mit sinnlosen Silben, die durch eine aufwendige technische Apparatur mit Kartenwechsler und Hippschen Chronoskop ausgeführt wur­den. Vl. und Reagent sitzen ungefähr 2,5 m von einander entfernt, so dass Vp. die Manipulation des Vl. am Apparat nicht sehen kann. Vier Tasten zur Reaktionsmessung. Drei Phasen: Vorperiode (Signal), Hauptperiode (experimentell zu untersuchendes Erlebnis), Nachperiode (Befragung durch Vl.)(104).

Instruktion für eine Versuchsreihe: "Es werden Karten erscheinen, welche mit sinnlosen Silben beschrieben sind, bei jetzt nehmen Sie sich vor einen sinnlosen Reim auf diese Silbe zu nennen, diesen möglichst sofort nach dem Erscheinen der Karte auszuführen und in den Schallschlüssel zu sprechen. Nach dem Versuch schildern Sie, was Sie erlebt haben" (128)

Starke Variation der Untersuchungsgegenstände und Aufgaben: Je 40 optische und akustische Reaktionen, 20 "Reizsilben", Zahlen, verschiedene Instruktionen (z.B. alliterieren, addieren, reimen). Besonderheit ist die Verwendung von Suggestionen durch Hypnose in Einzelversuchen zum Nachweis einer unbewussten determinierenden Tendenz. Jeweils wenige Vpn. mit längeren Versuchsreihen, z.B. Vp M macht 56 Ver­suche in 8 Tagen, Vp L 18 Versuche an 2 Tagen (129).

Analyse: Es wurden "nur solche Beobachtungen verwertet, welche bei verschiedenen Versuchspersonen übereinstimmend gefunden wurden." (112).

Besonderheiten. (1) Einzelversuche, (2) "künstliche" Themen, (3) Stark technische Versuchsanordnung, wie bei Reaktionsexperimenten Wundtscher Art. (4) Starke Variation. (5) Neu ist Befragung durch Vl. sofort nach Ausführung des Experiments. Vl. protokolliert, eine dritte Person wird nicht befürwortet. Aufnahme durch "Phonograph" wird angeregt. (5) Erzeugt werden qualitative Daten, experimentell und durch Beobachtung. Offenbar riesige Datenmenge (Protokoll "würde selbst ein Buch füllen", 111). (6) Die Daten werden aber nicht qualitativ - auf Ge­meinsamkeit - ­ausgewertet, sondern es werden nur einige allgemeine Besonderheiten hervorgehoben. So kann man nur sagen "es gibt ...". Nach Lektüre weiß man nicht, was Wille ist oder Aufmerksamkeit oder Absicht oder Zielvorstellung, die alle unter "determinierenden Tendenzen" subsumiert sind. Ein Hauptergebnis ist deren Wirksamkeit, die aber schon durch einige (qualitative) Hypnose-Experimente nachgewiesen wären. Die Existenz von unanschaulichem Denken ist ein weiteres Hauptergebnis. Der technische Aufwand scheint nichts beizutragen.

Bewertung: Die Einführung eines Vl bei Introspektion ist neu und charakteristisch für Würzburg. Ziche macht darauf aufmerksam, dass Achs Untersuchung schon 1900 begonnen wurde - war die Einfüh­rung des Vl. in Introspektionsforschung seine Idee? Anders als bei Marbe ist Vl. bei Ach die Autorität, die Objektivität herstellt, weil die Vp. nicht alles sagt oder sagen kann. Die Übertragung dieser Aufgabe zumal unter Zeitdruck (so lange Perseveration bei Vp. vorhält) ist der Schwachpunkt der Methode. Ach, der so besorgt ist, dass die Erinnerung der Vp. rasch verblasst, sieht nicht, dass sie durch seine Fragestellung einseitig (dialogisch) verändert wird (im Sinne seiner determinierenden Tendenz), also geschlossene und zielende Fragen sehr sorgfältig variiert werden müssen, um nicht einseitig zu wirken, was in der Geschwindigkeit gar nicht zu leisten ist. Wahrscheinlich hat er das selbst eingesehen, weil in seinem späteren Buch über Begriffsbildung (verspätet 1921 publiziert) nur noch "offen" nachgefragt wird ("Wie meinen Sie das?" - siehe mein Exzerpt).

Karl Bühler: Qualitative Experimente über Denkvorgänge - mit Vl.

Die Untersuchungen zu "Tatsachen und Problem zu einer Psychologie der Denkvorgänge" (1907) erreichen methodisch eine neue Stufe. Sie gehen über die von Marbe (1901) weit hinaus, weil die Aufgaben jetzt "natürlich" sind, nämlich wirkliche Denkformen zu studieren, die nicht in das Sinnlose zerlegt werden (Bühler bestimmt seinen Gegenstand mit Husserl als "kleinste Denkerlebnisstücke, 182). Denken wird als komplexe Gegebenheit studiert ("etwas schwierigere Denkaufgaben" 161, deutlich unterschieden von Forschungsgegenständen von Wundt, Marbe, Mayer/Orth, Ach) und in seinem Entstehen bzw. seiner Veränderung. Außerdem ist eine Besonderheit, dass die Methodologie souveräner gehandhabt wird als von den anderen Institutsmitgliedern einschließlich Ach und Marbe. Bühler ist auf der Höhe der methodologischen Entwicklung (Husserl 1901), wird auch von ihm beeinflusst. Umso unverständlicher ist Wundts engstirnige Kritik an den "Pseudo-" oder "Ausfrageexperimenten".

Versuchsanordnung. Einzelversuche, Vl. stellt der Vp. Denkaufgaben, erhält anschließend einen Bericht über Erlebnisse dabei. Die Antworten werden wörtlich notiert. Keine Nachfragen, dadurch starker Unterschied zum Verfahren Ach. Beispiel für die Fragen: "Wenn Euken von einer weltgeschichtlichen Apperzeption spricht, wissen Sie, was er damit meint?" Material sind außerdem Aphorismen von Nietzsche, Rückert, Heyse u.a. und selbst entwikelte Fragen, z.B. "Was ist Kultur?". Sieben Vpn., zitiert werden Külpe und Dürr, 5 Versuchsreihen, 253 Einzelversuche.

Versuchsleiter. Die Einführung des Versuchsleiters schreibt er Marbe zu (159):

"Jene andere Methode (seine gegenüber der von Husserl, G.K.) ... unterscheidet sich wesentlich von den älteren Bemühungen der Selbstbeobachtung an zufällig gebotenen oder durch ein inneres Experiment hervorgerufenen Erlebnissen. Zufälligkeit und Willenseinfluss des Erlebenden, die beiden Missstände aller älteren Beobachtungen, hat sie durch eine einfache Arbeitsteilung beseitigt. Es wird nämlich dem Beobachter ein Versuchsleiter beigegeben, der die Erlebnisse hervorruft und die Beobachtungen zu Protokoll nimmt, so dass die Versuchsperson nur mit ihrem Erlebnis und seiner Beschreibung beschäftigt ist. Marbe gebührt das Verdienst, diese Idee zuerst ausgesprochen und seiner Untersuchung über das Urteil zugrunde gelegt zu haben".

"Qualitative psychologische Experimente" werden ausgeführt im Sinne Marbes, werden so aber nicht genannt. Kennzeichen sind die Beibehaltung des Forschungsgegenstandes (Prozess des Denkens), starke Variation der Fragen, Variation der Vpn., Produktion von qualitativen Daten als Beschreibungen, Analyse auf Homogenität, die der "Analyse auf Gemeinsamkeiten" entspricht. Validierung durch Übereinstimmung der Forschungen innerhalb derselben Forschung und mit anderen Forschungen des Instituts. "Eine gewisse objektive Kontrolle liegt nun schon in der immanenten Widerspruchslosigkeit der Aussagen an sich" (164). Von Külpe wird das Verfahren bestätigt: "Durch Vergleich mit verschiedenen Vpn. und mit verschiedenen Ergebnissen derselben Vp. konnte geprüft werden, ob das Verfahren einwandfrei war. Die große Übereinstimmung unserer denkpsychologischen Arbeiten, die geradezu eine auf der anderen weiterbauen konnte, war eine schöne Bestätigung unserer Ergebnisse" (54).

Theorie-Praxis-Verhältnis. Bühler argumentiert gegen die " ... Behauptung, man müsse doch erst eine Theorie der Selbstbeobachtung haben, bevor man auf ihre Aussagen bauen könne ... wie sollen wir das erfahren ... (was wir der Selbstbeobachtung zutrauen dürfen) ... wenn wir sie nicht erproben?" (164). "Praktisch werden wir sehr bescheiden alles das aufgreifen, was uns die empirische Forschung bieten kann um ihm (dem Ziel der Gedankenbestimmung) näher zu kommen" (182).

Objektivität. Eine "objektive Kontrolle der Feststellungen der Selbstbeobachtung" sei berechtigt, "... ich habe auch versucht, diese Forderung zu erfüllen." Zweierlei zur Begründung: Wahl der Vp - "zwei geübte Psychologen" und Methodik:

"Eine gewisse objektive Kontrolle liegt nun schon in der immanenten Widerspruchlsosigkeit der Aussagen an sich. Wenn man aus einer großen Anzahl von Versuchen über die verschiedensten Denkstoffe und mit verschiedenen Denkaufgaben gewisse allgemeine Sätze abzuleiten vermag und alle Protokolle mit ihnen übereinstimmen, dann besteht schon einige Wahrscheinlichkeit, dass man der Wirklichkeit nahe gekommen ist. Die beste und im strengsten Sinne objektive Kontrolle aber werden wir aus unseren Erinnerungsversuchen gewinnen. Wenn es uns nämlich gelingt, aus den Aussagen ... Vermutungen über die ... Erinnerung abzuleiten, und diese Vermutungen ... eine vollständige Bestätigung erfahren, dann werden wir die beste objektive Kontrolle gewonnen haben, die sich überhaupt erreichen lässt." (164/ 165).

Prognostiziert wird, dass das Gedächtnis Gedanken "destruiert", aber vorhersehbare "Ruinen" übrig bleiben, etwa von dem Gedanken: "Ausdauer ist eine Tochter der Kraft, Hartnäckigkeit eine Tochter der Schwäche, nämlich der Verstandesschwäche" wusste Vp. später nur noch "dass zwei Tugenden dabei waren, über die eine entgegengesetzte Aussage gemacht wurde." (184).

Verhältnis zur Versuchsperson. "Die Beschreibung eines einzelnen Falles kann keine objektiv eindeutige Bestimmung seiner Erlebnisse bieten". Das Ansinnen sei unvernünftig, die Vp. "solle in jedem Protokoll alles niederlegen." Statt des unerreichbaren Ideals der Vollständigkeit solle sie lieber "das gut wiedergeben, was sie gerade jetzt besonders gut gesehen und was sie besonders sicher weiß" (165). (Gegensatz zu Achs Intensiv-Befragung. G.K.). Bei geübten Vpn. "wird man wenig in die Beschreibung einzugreifen brauchen" (165). Der Vp. einen gewissen Spielraum zu lassen, "bringt uns keine Störung" (167). Es kam auch nicht darauf an, "ein von vornherein festgelegtes Pensum abzuwickeln" (170). "Die Anpassung wird ja nicht von dem Beobachter, der Vp., sondern von dem Versuchsleiter verlangt" (166).

Vor allem herrscht "Das Recht des Gegenstandes" (167): Die Fragen des Vl " ... müssen stumm bleiben und sich in neuen Versuchen verbergen". "Die Entscheidung kann ihm nur die Versuchsperson abnehmen". Wenn er ...

"... statt eines Ja ein Nein oder eine ganz andere Antwort vernimmt, dann freut er sich, wenn er überhaupt vom Experimentieren etwas versteht, denn dann weiß er, dass es ihm gelungen ist, die Tatsachen zum Sprechen zu bringen und dass er nicht seine eigene Stimme gehört hat." (167).

Variation. Bühler variiert Vpn., Aufgabenbereiche (5 Versuchsreihen), die Einzelaufgaben (352 Versuche). Er wählt auch die für die jeweilige Vp. geeigneten Themen und befragt sie entsprechend. Dabei bleibt der Gegenstand - Erleben beim Denken - konstant.

Analyse. Immer nach Gemeinsamkeiten: "Fragen wir uns nun, was all diesen Fällen gemeinsam ist" (189). "Die Frage hat im allgemeinen eine überraschend einmütige Beantwortung erfahren" (173). Die "immanente Widerspruchslosigkeit" ist als Objektivitätskriterium oben schon behandelt worden. "Durch die mühevolle Kombinationsarbeit ... darf man sich nicht abschrecken lassen ... (166). "... auf alle Gedanken übertragbare gemeinsame Merkmale der Denkerlebnisse ... " (183). "Wir werden ... erst durch eine Synthese zu dem Ganzen kommen, dem sie angehören" (183).

Untersuchungsmethode für Gedankenanalyse. Es gibt drei gangbare Wege:

(1) Grundlage ist Beschreibung der Vp. Dadurch zerlegt sie den Gegenstand. "Wenn wir nun nachträglich die Unterscheidungen, die sie in allen Einzelfällen getroffen hat, systematisch zusammenstellen, dann werden wir daraus ersehen können, was man an einem Gedanken feststellen kann".

(2) Gelegentlich gelingt es, die Entstehung im Bewusstsein unmittelbar zu verfolgen. "Zuerst ... dann ... und dann ...". Sukzessionsreihe wirft Licht "auf die Struktur des fertigen Gedankens" (183).

(3) Gedächtnis "ist ein realer Analysator", es leiste, was auf dem ganzen Gebiet der psychischen Wirklichkeit für unmöglich gehalten wurde, "etwas, was der abstrakten Analyse gegenüber als eine reale Zerlegung bezeichnet werden kann" (184). (Beispiel oben, unter "Objektivi­tät"). Aber Vorsicht, dass nicht Erinnerungen vermischt werden (185). Veränderung eines Gedankens in der ­Erinnerung dient zum Beleg der Objektivität. Diese Methode "kann sehr fruchtbar werden"; Bühler bedient sich jedoch vornehmlich der beiden anderen.

Ergebnisse. Summiert werden eingangs einige Erkenntnisse aus früheren Versuchen, u.a. dass Gedanken nicht notwendig anschaulich sind, dass sie nicht identisch sind mit Vorstellungen, nicht notwendig mit innerem Sprechen verbunden etc. Ergebnisse seiner Forschungen:

  • Dialektik. Durch die Frage wird der Vp. eine Denkaufgabe vorgelegt, wie löst sie sie? "... wir könnten von einer inneren Dialektik sprechen. Nicht wegen des Sprechens ... sondern wegen der Eigenart des Denkfortschritts: Man sieht eine Lösungsmöglichkeit, macht sich Einwände, überwindet sie und trifft eine Entscheidung ... (dies ist) ein Hauptmerkmal dieses Geschehens, nämlich der eminent teleologische Charakter, den die Denkprozesse in sich tragen.". (171).

  • Regelbewusstsein. Gedankenaufgaben werden gelöst unter Bezug auf Regeln ("Analogisches Denken")(185 f.) "Unsere Gedanken bestehen zum großen Teil aus bewussten Regeln" (191).

  • Beziehungsbewusstsein. Z.B. "Es handelt sich um ein Entweder-Oder"; ein Gedanke "enthielt eine Konsequenz", "einen Gegensatz", "zwei koordinierte Glieder" oder sonst eine Beziehung (192).

  • Intentionen. Das Meinen steht im Vordergrund, nicht das Gemeinte (195).

Zusammenfassung: Gedanken sind nicht von einheitlicher Art. Zu unterscheiden sind formale und inhaltliche Kennzeichen, die strukturiert sind ("Wasbestimmtheiten in den Akten des unmittelbaren Wissens sind Platz­Bestimmtheiten innerhalb einer bewussten Ordnung" 203), die Einbindung des Individuums in über­individuelle Zusammenhänge. Damit wird die Analyse des Denkens auf eine höhere Stufe gestellt verglichen mit den früheren Reaktions- und Erinnerungs-Versuchen. Sie überwindet die Wundtschen Trennung von experimenteller und die Völkerpsychologie.

Unser Verfahren

Es ist am nächsten verwandt mit dem von Marbe ("qualitative psychologische Experimente") und fast identisch mit dem methodologisch weiterentwickelten von Bühler: Anwendung der qualitativen Experimente auf alltägliche und/oder komplexe Erlebnisse, Variation der Perspektiven, unter denen derselbe "Gegenstand" (Marbe) oder dasselbe "Erlebnis" (Külpe, Bühler) gesehen wird, Trennung Forscher/Versuchsleiter, Erzeugung qualitativer Daten, qualitative Analyse auf Übereinstimmung/ Homogenität/ Gemeinsamkeit, Aufklärung des Gegenstandes. Vorbild ist nach wie vor die Art seines Umganges mit dem Thema, den Vpn. (die wir nicht mehr so nennen), der Analyse des Materials - alles weit über Marbe hinausgehend.

Von den Veränderungen, die wir am Verfahren vorgenommen haben, können wir behaupten, dass sie Verbesserungen sind:

  • Gruppe statt Einzelexperimente oder -interviews = Variation der Personen und Reihum-Berichte, sie ersetzen die Befragung durch Vl.

  • Beibehaltung der Trennung Vl. und Forschungspersonen, er/sie stellt die Aufgabe, informiert über die Regeln und sorgt für deren Einhaltung.

  • Methodologisch begründete Verfahren mit Optimierung der heuristischen Kapazität der Forschung, die beispielsweise zu stärkerer ("maximaler") Variation der Perspektiven führt als die durch die Forschungserfahrung begründete oder als methodologisch nicht begründete.

  • Es gibt jetzt auch Regeln für die Datenerhebung. Beispiele: Variation der Personen, der Grup­pen, der Dokumentationsform, Experiment und Beobachtung, verbal und Gestik, der Zeit (nicht nur sofort, sondern auch aus der Erinnerung), des Ortes etc. - alles, falls vermutet wird, dass sich dadurch die Ergebnisse verändern.

Es gibt eine Reihe weiterer, vor allem forschungspraktischer Vorteile, die in den Vorträgen zur Bremer Tagung beschrieben werden. Sie sind u.a.:

  • Forschungsökonomisch. Daten sind rascher zu beschaffen als bei Einzelexperimenten.

  • Erkenntnistheoretisch. "Mithören" als Angebot anderer Sichtweisen verbessert die Erfassung der eigenen Erlebnisse, gibt Anreiz, Vergessenes, Verdrängtes, als Unwichtig Angesehenes bewusst werden zu lassen.

  • Methodologisch (Datenbeschaffung). Die "strukturelle Variation der Perspektiven" wird verbessert durch Erzeugung sozialer, zum Vortrag in der Gruppe bestimmter Formen des Erlebens.

  • Methodologisch (Datenanalyse). Beim Zuhören wird die Übereinstimmung oder Nicht-Übereinstimmung, also die "Befragung" des eigenen Erlebens oder Erinnerns auf Gemeinsamkeit gewisser Aspekte mit dem von anderen Berichteten bewirkt - das gibt möglicherweise Hinweise auf die Sinnhaftigkeit des Analyseverfahrens ("Aha-Erlebnisse" wenn eine andere Person etwas mitteilt, das man selbst ebenfalls erlebt hat.

  • Objektivität. Die Verfahren Bühlers zur Herstellung von Objektivität (wir nennen sie ge­nau­er "Intersubjektivi­tät") ­betreffen: Auswahl der geeigneten Vpn, Anzahl und Verschiedenartigkeit der Versuche, Übereinstimmung der Protokolle und Prognose. Unsere "maximale strukturelle Variation der Perspektiven" fordert auf, die Perspektiven maximal, den jeweiligen strukturellen Eigenarten des Gegenstandes angepasst zu differenzieren, die "Analyse auf Gemeinsamkeit" deckt sich mit seiner Analysepraxis. Die Optimierung der Vpn. haben wir nicht, ich denke, dass sie durch die "maximale Variation" abgedeckt ist, dann aber ausser den Experten auch die nicht-psychologisch Gebildeten und/oder auch die nicht Gebildeten versuchsweise einschliessen würde, bei deren Befassung mit den Versuchen möglicherweise ein Misserfolge wegen fehlen­der sprachliche Ausdrucksfähigkeit eintreten könnte, somit der Hinweis auf die kulturellen Grenzen der Aufgaben und des Denkens. In diesem Fall wäre Erkenntnisgewinn zu verzeichnen, zu dem er nicht gekommen ist, obwohl er das Sozio-Kulturelle mitgedacht hat. Sein Prognose-Kriterium (das m.W. in dieser form später nicht mehr auftaucht, als qualitative Prognose, haben wir auch, aber in anderer Form: wenn nach der Analyse neue Daten eingeholt werden, bestätigen sie die Analyse bzw. widersprechen ihr nicht (100% bzw. 0%-Kriterium). Es kann die Struktur der noch nicht bekannten Daten prognostiziert werden.

Das folgende Biografische ist vielleicht auch noch interessant. Karl Bühler war in Wien Lehrer von Herta Herzog, er soll über sie gesagt haben, sie sei seine beste Schülerin (sie hat seinetwegen Psychologie studiert, war ursprünglich Germanistin). Er war allgemein hoch angesehen, ein sehr guter Vortragender, mit riesigem Zulauf. In Seminaren hat er positiv von Würzburg geredet, war damals aber vornehmlich mit seiner Sprachpsychologie befasst (nach Herta "nicht so anspruchsvoll"), hat (sie) auch darüber geprüft. Wegen seiner Frau Charlotte - Jüdin oder "Halb-", ist er über Schweden in die USA ausgewandert, hat es dort einigermaßen schwer gehabt, sich mit psychoanalytischen Stunden durchgeschlagen. Mit Lazarsfeld hatte er nichts im Sinn - dieser war in Wien bei Charlotte, der er mit Statistik ausgeholfen hat - er war Gymnasiallehrer für Mathematik. Auf Freud war Bühler, sagt Herta, neidisch (siehe seine "Krise der Psychologie"). Bühler ist wohl (meine Beurteilung) in den späten dreißiger Jahren in den Statistik-Trend der Sozialwissenschaften hineingeraten, der Lazarsfeld begünstigt hat und nicht die qualitativ/introspektiven (akademischen) Psychologen.

Man kann fragen, warum die Gestaltpsychologen erfolgreich waren, wie auch, außerakademisch die Psychoanlayse, ebenso Husserl als die große Erleuchtung, die Würzburger jedoch nur als historische "Schule" existieren. Mögliche Gründe:

  • besseres "Wissenschaftsmanagement". Bücher, Vorträge, Auftreten als "Gruppe" die sich unterstützt (Wertheimer, Köhler, Koffka. Lewin u.a.), obwohl sie auch nicht immer einer Meinung waren. Die Psychoanalytiker waren (und sind) ein Clan. Die Würzburger traten in der Wissenschafts-Öffentlichkeit nicht als Gruppe auf, es gab kein verbindliches Lehrbuch (Ziche), Külpe hat nur in Vorträgen Ergebnisse zusammengefasst, die schlecht zugänglich waren. Streit, der im allgemeinen publikums­wirksam ist, war personalisiert: Wundt gegen Bühler.

  • Identifizierbare Erkenntnis: "Gestalt" ist eine im Alltäglichen nachvollziehbare Erkenntnis, die nicht einmal von den Gestaltpsychologen selbst stammte (sondern von Christian von Ehrenfels, 1890), wogegen die Würzburger durch die Methode glänzten (die dann durch die deduktiv-quantitative Methode "überwunden" wurde). Allerdings hat Husserl auch nur eine - ziemlich schwer verständliche - Methode. Dagegen war und ist die "Couch" ein Markenzeichen der Analyse wie auch das Ergebnis der frühkindlichen Sexualität. Es bleibt, dass die Würzburger mit einer Methode und einem Gegenstand (Denken), aber ohne ein fassbares Ergebnis (Unanschaulichkeit ist keines) ein für die Wissenschaftsgemeinde weniger attraktives "Produkt" hatten im Gegensatz zur Gestaltpsychologie, die nicht einmal eine eigene Methode entwickelte.

  • Wissenschaftshierarchisch: Külpe (1862-1915) war der einzige Psychologieprofessor, der aber nur kurzfristig das Institut leitete (1896-1909), die anderen waren Studierende, Assistenten, Habilitierte, die später anderswo die Tradition nicht fortführten. Ach, der Bücher geschrieben hat, war nur lose mit dem Institut verbunden und repräsentiert es methodisch nicht. Bühler, der klügste und einfallsreichste, ging nach Wien und änderte seine Interessen. Külpe hatte keinen renomierten Nachfolger.

Literatur

Ach, N. (1905): Über die Willenstätigkeit und das Denken. Eine experimentelle Untersuchung mit einem Anhange: Über das Hippsche Chronoskop. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen.

Bühler, K., (1907): Tatsachen und Probleme zu einer Psychologie der Denkvorgänge. I. Über Gedan­ken. In: Archiv für die gesamte Psychologie 9, 297-365.

Marbe, K. (1901) Experimentell-psychologische Untersuchungen über das Urteil. Eine Einleitung in die Logik. Engelmann, Leipzig.

Mayer, A. & Orth, J. (1900): Zur qualitativen Untersuchung der Assoziationen. In: Zeitschrift für Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 26, 1-13.

Ziche, P. (1999): Introspektion. Texte zur Selbstwahrnehmung des Ichs. Springer Wien, New York.

 

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